Swissmem Berufsbildung Veranstaltungen Berufsbildungstag 2022: Gemeinsam die Zukunft der Bildung gestalten

Berufsbildungstag 2022

Mit der Berufsreform FutureMEM ist die Branche derzeit daran, die berufliche Grundbildung auf die Zukunft auszurichten. Dabei geht es nicht nur um Lernprofile in den einzelnen Berufen, sondern auch generell um die Art des Lernens. Der Berufsbildungstag 2022 zeigte Trends auf und eröffnete verschiedene Blickwinkel in die Zukunft.

Umdenken ist gefragt. Das Anhäufen von Wissen auf Halde ist vorbei. Wer in die berufliche Grundbildung eintritt, ist künftig als angeleitete Selbstlernerin und angeleiteter Selbstlerner unterwegs. Dass Jugendliche ganz unterschiedlich damit umgehen können, betonte Niklaus Schatzmann, Vorsteher des Mittelschul- und Berufsbildungsamtes des Kantons Zürich, gleich zu Beginn der Berufsbildungstags in seinem Grusswort. Er machte einerseits Werbung für die Talentförderung, gab aber auch zu Bedenken, dass nicht alle Jugendlichen über die gleichen Voraussetzungen verfügen. Auch mit neuen Lernsystemen und -tools bleibt die persönliche Beziehungsebene in der Berufsbildung zentral.

Der neu konzipierte Berufsbildungstag war darauf ausgelegt, dass der Austausch zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern verstärkt möglich war. Die rund 230 Gäste konnten sich nicht nur mit neuen Trends auseinandersetzen, sondern nach coronabedingter Auszeit auch persönliche Kontakte pflegen.

Stefan Brupbacher, Direktor Swissmem, ging in seinem Überblick (Präsentation verlinkt) auf die zentrale Bedeutung der Berufsbildung für Wirtschaft und Gesellschaft ein. Dank der hohen Flexibilität unseres Systems sei eine Deindustrialisierung in der Schweiz ausgeblieben, so Brupbacher. Es gelte jedoch, die Industrie noch besser in der Gesellschaft zu positionieren und für die Attraktivität der Ausbildungen zu werben.

Vom Bildungskanon zu den FutureSkills

Auf eine Zeitreise durch die Welt des Lernens gings mit Manfred Pfiffner, Professor für Berufspädagogik an der Pädagogische Hochschule Zürich. Er zeigte die Entwicklung des Lernens von der klassischen Lernstoffsammlung bis hin zur Handlungskompetenz-Orientierung der heutigen Zeit und den FutureSkills, die künftig verstärkt gefragt sein werden. (Präsentation verlinkt)

Einen Akzent legte er auf die Unterscheidung zwischen beobachtbaren, oberflächlichen Lehr- und Lernhandlungen auf der einen Seite und den Tiefenstrukturen des Lernens auf der anderen Seite. Letztere würden immer wichtiger werden, so Pfiffner. Denn die eigene Lern- und Reflexionskompetenz sowie die Motivation seien entscheidend für den langfristigen Lernerfolg.

Die ZukunftsSkills fasst Pfiffner unter dem Kürzel 4K zusammen. Dazu zählen die Elemente «Kritisches Denken und Problemlösen», «Kommunikation», «Kooperation» sowie «Kreativität und Innovation». Letztlich gehe es aber nicht darum, alles über Bord zu werfen. Nach wie vor wichtig blieben die Vermittlung von Fachkompetenz, die Wahrung hoher Qualitätsstandards und das Fördern und Fordern der Lernenden.

Verstärkt zu beachten sind neben den Zukunftsskills laut Pfiffner die folgenden Elemente: die Selbstkoordination, die individuelle Begleitung, die Lesekompetenz (diese hat in den vergangenen Jahren laut Studien abgenommen), die Diagnose des Lernfortschritts sowie die Ausrichtung des Lernens auf reale Herausforderungen (Projekte).

«Die Lernenden müssen den Sinn hinter ihrem Lernen erkennen»

Interviews mit Prof. Dr. phil. habil. Manfred Pfiffner, Professor für Berufspädagogik an der…

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Sonja Studer, Leiterin Bildung Swissmem, lenkte den Blick von der allgemeinen Lernlandschaft, wie sie Pfiffner präsentiert hatte, auf aktuelle Themen der Branche. Dazu gehören unter anderem:

Im nachfolgenden, von Karin Frei moderierten Podium bewegte sich die Diskussion auf ganz unterschiedlichen Bildungsebenen. Neben Sonja Studer diskutierten Andrin Eicher (Lernender Siemens), Patrizia Hasler (Rektorin Technische Berufsschule Zürich), Stefan Scheiber (CEO, Bühler AG), Sonja Studer (Leiterin Bildung Swissmem) und Christian Villiger aktuelle Herausforderungen. Dabei wurde klar, dass Kooperation nicht nur zwischen den Lernorten gefragt ist, sondern vermehrt auch über die Generationen hinweg. Doch nur mit genügend Raum für Experimente und einer entsprechenden Fehlerkultur sei die Weiterentwicklung des Lernens möglich, betonten Hasler und Scheiber. Es gelte mit Grundvertrauen und einem hohen Commitment in die Zukunft zu blicken.

Der Stehlunch und die nachmittäglichen interaktiven Vorträge, bei welchen wiederum Lernende involviert waren, boten Gelegenheit für den direkten Austausch. Themenkreise der Workshops waren die Anwendung digitaler Kompetenzen an drei Lernorten, das Netzwerk «One young world» sowie Beispiele von bereichsübergreifenden Projekten.

Einen inspirierenden Aufruf, die Reform und die anstehenden Veränderungen mutig anzupacken, bildete das Referat von Heinz Frei unter dem Titel «Chancen sehen». Mit seinen 15 Goldmedaillen an Paralympics, 14 Weltmeistertiteln und 112 Marathonsiegen zählt Frei zu den erfolgreichsten Schweizer Sportlern aller Zeiten.

Bewegend schilderte er, wie er in jungen Jahren bei der Streckenbesichtigung zu einem Berglauf verunfallte und sich ganz neu orientieren musste. Freunde, Familie und das ganze Umfeld halfen ihm, neuen Mut zu fassen und Schritt für Schritt allmählich neue Lebensfreude zu gewinnen. Neben den psychischen Herausforderungen stellten sich ihm auch technische, denn der Rollstuhlsport befand sich zu jener Zeit noch in den Kinderschuhen.

Den Gästen des Berufsbildungstags gab Frei eine seiner Stärken mit auf den Weg: «nid lugg loh». Oder anders ausgedrückt: Sich immer wieder neue Ziel setzen, demütig bleiben und nach vorne schauen.

Auch wenn Frei im Jahr 2020 an den Paralympics in Tokyo im Alter von 63 Jahren sensationell nochmals Silber holte, werden dies wohl seine letzten Paralympics gewesen sein. Er möchte aber auch in Zukunft noch als Sportler aktiv bleiben - und mit Freude den Nachwuchs auf seinem Weg unterstützen.

Berufsbildungstag 2023

Olivier Habegger, Gastgeber und Eventverantwortlicher des Berufsbildungstags, bedankte sich am Schluss der Veranstaltung bei der Moderatorin Karin Frei, welche die Themen gekonnt verknüpft und verschiedene Sichtweisen abwechselnd ins Zentrum gerückt hatte. 

Einen grossen Dank widmete Habegger auch an alle Mitwirkenden und die Mitglieder des Begleitgremiums, welche den Tag überhaupt erst ermöglicht hatten. Gleichzeitig lud er die  Berufsbildungs-Community dazu ein, sich den nächsten Berufsbildungstag vorzumerken. 

Ein Wiedersehen in der Zentralschweiz

Der Berufsbildungstag 2023 wird am 5. Mai 2023 im Verkehrshaus in Luzern stattfinden. 

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Letzte Aktualisierung: 03.06.2022