Die Reform stellt nicht nur die Lernenden, sondern auch die Betriebe und Bildungspartner vor neue Herausforderungen. Das Ausbildungskonzept ist stärker kompetenzorientiert und setzt auf handlungsorientiertes Lernen im Alltag. Für die Berufsentwicklung bei Swissmem bedeutet das, die Ausbildungs- und Prüfungsinstrumente so zu gestalten, dass sie den realen Anforderungen der Arbeitswelt entsprechen.
Mit dem QV 2026 stehen wir nun vor der entscheidenden Bewährungsprobe: Wie werden die neuen Kompetenzen überprüft? Welche Prüfungsformen sind geeignet, um sowohl die Fach- als auch die Handlungskompetenzen valide zu messen? Und wie schaffen wir dabei faire Bedingungen für Lernende in einer sehr heterogenen Branche?
Die Tech-Industrie bildet Kaufleute in ganz unterschiedlichen Einsatzgebieten aus – vom Export über den Einkauf bis hin zur Administration. Diese Vielfalt macht unsere Branche stark, stellt uns aber gleichzeitig vor die Herausforderung, ein einheitliches Qualifikationsverfahren zu entwickeln, das dieser Breite gerecht wird.
Besonders im Fokus steht die Frage, wie wir die betriebliche Realität in die Prüfung integrieren können. Denn klar ist: Ein kompetenzorientiertes QV darf sich nicht nur auf theoretisches Wissen stützen, sondern muss die Fähigkeit der Lernenden sichtbar machen, komplexe Situationen selbstständig zu bearbeiten.
Eine der aktuell kontroversesten Fragen betrifft den Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) im Qualifikationsverfahren. Im Alltag der kaufmännischen Berufe ist KI längst angekommen – sei es bei der Texterstellung, in der Datenanalyse oder bei der Kundenkommunikation. Wenn wir Lernende realitätsnah prüfen wollen, müssten wir folglich KI-gestützte Arbeit auch im QV zulassen. Gleichzeitig stellt sich aber die heikle Frage: Würde eine solche Zulassung die individuelle Leistung der Kandidatinnen und Kandidaten verfälschen? Wäre die Vergleichbarkeit der Ergebnisse noch gewährleistet?
Hier prallen zwei Sichtweisen direkt aufeinander: Auf der einen Seite steht das Argument der Praxisnähe – wer ohne KI prüft, prüft an der Realität vorbei. Auf der anderen Seite steht der Anspruch auf Fairness – wer KI zulässt, riskiert, dass die eigentliche Kompetenz der Lernenden hinter den Maschinenresultaten verschwindet. Diese Spannung auszubalancieren, ist eine der grossen Herausforderungen auf dem Weg zum QV 2026, denen sich die Arbeitsgruppen rund um Berufsentwickler Nino Giuralarocca zur Zeit widmen.
FĂĽr die Betriebe ist die Reform ebenfalls ein Lernprozess. Viele Unternehmen begleiten ihre ersten Lernenden durch die neue Ausbildung und sammeln wertvolle Erfahrungen. Diese RĂĽckmeldungen sind fĂĽr uns zentral, um die Instrumente fĂĽr das QV 2026 praxistauglich auszugestalten.
Es zeigt sich: Die Reform ist nicht mit dem Start 2023 abgeschlossen, sondern ein laufender Entwicklungsprozess. Das erste QV wird ein wichtiger Meilenstein sein – sowohl für die Lernenden als auch für alle weiteren Beteiligten.
Wir sind überzeugt, dass die Kaufleute in unserer Branche auch mit den neuen Rahmenbedingungen bestens gerüstet sind. Gleichzeitig bleiben wir gefordert, das QV so zu gestalten, dass es den Anforderungen der Zukunft gerecht wird, ohne die Grundprinzipien von Fairness und Transparenz zu gefährden.