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Schweizer Jungprofis in der Weltspitze

Swissmem Berufsbildung Aktuelles Schweizer Jungprofis in der Weltspitze

Beinahe die Hälfte der Schweizer Jugendlichen holte sich an den Berufsweltmeisterschaften in England Edelmetall. Während die Wettbewerbe für das hiesige Ausbildungssystem eine Bestätigung waren, sorgten sie andernorts für neue Impulse.

Kuhglockengeläut, tosender Applaus und ein Wald an Fahnen und Transparenten: Der Empfang der Schweizer Delegation im Zentrum Schluefweg in Kloten war euphorisch. Einen Tag zuvor hatten die 38 Schweizer Jugendlichen an den Berufsweltmeisterschaften in London insgesamt 17 Medaillen geholt und damit den dritten Platz in der Nationenwertung erorbert. „Wir alle haben gewonnen, insbesondere aber das duale Bildungssystem“, meinte Bundesrat Johann Schneider-Ammann und liess es sich nicht nehmen, den Teilnehmern und Betreuern persönlich zu gratulieren. Auch Paul Hüppi, Delegationsleiter in den drei von Swissmem betreuten Berufen, zeigte sich äusserst zufrieden. „Die anderen Länder haben in den vergangenen Jahren noch mehr in die Berufs-WM investiert, dennoch konnten wir uns an der Spitze halten“, erklärte er. Mit einer Silbermedaille für Basil Brunner (msw Winterthur) im Beruf Elektroniker, Bronze für den Konstrukteur Pascal Brunner (Bühler AG) sowie einer Diplomauszeichnung für das Automatikerteam mit Reto Meier (MSW Winterthur) und Adrian Kamer (Wifag Berufsbildung) konnte die Schweiz auch in den technischen Berufen die guten Resultate der Vorjahre bestätigen. Aufwertung der dualen Bildung Für das Austragungsland England waren die WorldSkills einerseits ein Vorbereitungstest für die Durchführung der kommenden Olympischen Spiele, andererseits aber auch Anlass, um neue Bildungsinitiativen zu lancieren. So besuchte nicht nur Premierminister David Cameron die Wettbewerbe und liess sich vom Können der Jungprofis in den 46 vertretenen Berufen überzeugen, gleich taten es ihm mit staatlicher Unterstützung Tausende junger Schüler aus ganz England. Die breite Werbung für die Berufsbildung hatte eine klare Absicht, wie Wirtschaftminister Vince Cable am Leaders Forum, das am Rande der WorldSkills durchgeführt wurde, erklärte. Betrachte man die aktuelle Situation in England mit Jugendunruhen, wirtschaftlicher Stagnation und belasteten öffentlichen Finanzen, so liefere gerade die duale Bildung wichtige Ansätze, um darauf zu reagieren. „England ist zwar gut bei Ausbildungen auf akademischer Stufe“, so Cable, bei der beruflichen Bildung hätten sie allerdings noch Aufholbedarf. Der englische Wirtschaftsminister  kündigte vor den versammelten Experten das grösste Investitionsprogramm an, das England je im Bereich der beruflichen Grund- und Weiterbildung lanciert habe. In gewissen strategischen Bereichen wolle man bei den beruflichen Fähigkeiten in einigen Jahren klar zur Weltspitze gehören. Vielschichtiges Zusammenspiel Den Trend, das duale Bildungssystem aufzuwerten, bestätigt auch Philipp Gonon, Professor für Berufsbildung an der Universität Zürich. Es handle sich jedoch nicht um die erste Art solcher Versuche. „Man kann von einer eigentlichen Historie zur Einführung der dualen Bildung sprechen“, so Gonon. Die Übertragung von dualen Bildungssystemen, wie sie zum Beispiel die Schweiz, Österreich oder Dänemark kennen, sei jedoch komplex, da viele Akteure wie Arbeitgeber, Verbände und staatliche Bildungsinstitutionen involviert seien. Diese müssten gut zusammen spielen. So sei zum Beispiel in England erkennbar, dass grosse Konzerne aus Ländern, welche das duale System kennen, über eine höhere Ausbildungsbereitschaft verfügten. „Jedes Land muss seinen eigenen Weg finden“, erklärt denn auch Gonon. Wie in England können Wettbewerbe wie die WorldSkills einen starken Impuls auslösen, um die verschiedenen Beteiligten von den Vorteilen eines dualen Bildungssystems zu überzeugen. Von den Erfolgen an den Berufsweltmeisterschaften direkt auf die allgemeine Qualität des jeweiligen Ausbildungssystems zu schliessen, greift aber dennoch zu kurz. So bereiten sich beispielsweise die Teilnehmer aus asiatischen Ländern oder aus Brasilien mehrjährig sehr gezielt in speziellen Camps auf die Wettbewerbe vor, während in der Schweiz der Grossteil der Wettkampfsvorbereitung im Ausbildungsbetrieb erfolgt. Raoul Abraham, internationaler Experte im Beruf Automatiker, weist auf einen weiteren Aspekt hin: „Unser Beruf hat sich in den letzten Jahren eher von den Anforderungen wegbewegt, die an den WorldSkills gefragt sind“, erklärt er. So gehe es an den Berufsweltmeisterschaften oft darum, kürzere Teilaufgaben schnell zu lösen, während in der Ausbildung in der Schweiz ein grösserer Wert auf längere Projekte gelegt werde. Diese Projektleitungsaufgaben würden andernorts oft erst auf Hochschulstufe vermittelt. Bei schwierigen Aufgaben, die Flexibilität verlangen, erkennt den auch Christine Davatz, Delegationsleiterin der Schweiz, generell Vorteile für die Schweizer Jungprofis. Die Innovation in der Bildung erhalten Allgemeine Vergleiche zwischen den einzelnen Ländern erweisen sich jedoch grundsätzlich als schwierig. „Die Ausbildungssysteme in einem Land sind nicht monolithisch“, erklärt Gonon. So gebe es selbst in der Schweiz erhebliche Unterschiede zwischen den Landesteilen aber auch zwischen den Branchen. Im Bereich der anspruchsvollen technischen Berufe, die vor allem in der MEM-Industrie gefragt sind, ist die Schweiz derzeit mit einem Fachkräftemangel konfrontiert. So konnten im vergangenen Jahr sieben Prozent der Lehrstellen in Swissmem-Betrieben nicht besetzt werden. Als ein Grund dafür wird die allgemeine Tendenz erachtet, dass leistungsstarke Schüler vermehrt den Weg über eine gymnasiale Matura wählen. Gonon setzt sich daher auch für eine Stärkung der Berufsmatura ein und rät, weiterhin innovativ zu bleiben. Auch neue Ansätze müssten im Auge behalten werden. So kennt Österreich zum Beispiel eine «Lehre mit Matura», das heisst die Möglichkeit, vier Fächer gemäss gymnasialen Standards zu besuchen, um dann die allgemeine Hochschulreife zu erlangen. Aber auch Baden-Württemberg, das berufliche Gymnasien etabliert hat, sei besonders innovativ. „ Da lohnt sich auch mal ein Blick über die Grenze“, fügt Gonon an.
 
Wirtschaftlich ist die Bedeutung des nördlichen Nachbarn schon lange bekannt. Ein Drittel aller Schweizer Exporte nach Deutschland gehen nach Baden-Württemberg. Das Handelsvolumen ist damit etwa gleich gross wie jenes mit den USA. Bei seinem Arbeitsbesuch, den Bundesrat Schneider-Ammann Anfang November 2011 Baden-Würtemberg abstattete, standen Bildungsthemen zwar nicht im Vordergrund, wie das Volkswirtschaftdepartement mitteilte. Gelegenheit für einen intensiveren Austausch mit dem nördlichen Handelspartner und weiteren Ländern dürften sich aber spätestens im Sommer 2013 ergeben. Dann findet die nächste Berufsweltmeisterschaft in Leipzig (Deutschland) statt. Schweizer Jungprofis in den Swissmem-Berufen können sich ab diesem Monat für die Teilnahme bewerben.

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Letzte Aktualisierung: 21.12.2011